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Rezension: Breitling Superocean Heritage ‘57

Es gibt auf dieser Welt drei Konstanten: Das Leben, den Tod und die Erwähnung der Rolex Submariner in einem Gespräch über Taucheruhren. Für manche ist die Submariner so wichtig wie das Tauchen selbst, falls nicht sogar wichtiger, als wäre das Tauchen nur erdacht worden, um der Submariner einen Zweck zu geben. Andere wiederum würden lieber sich selbst in einem Nachruf erwähnt sehen, als noch einmal den Namen dieses Unterwassermodells von Rolex zu hören. Für all diese Personen präsentiere ich die Breitling Superocean Heritage ’57 – die ist ganz bestimmt keine Submariner.

Das Original von 1957

Die 1950er Jahre sind, was das menschliche Schaffen angeht, sicherlich eines der erstaunlichsten Jahrzehnte unserer gesamten Geschichte. Doch wenn man bedenkt, dass wir seit nun schon mehr als 300.000 Jahren hier umher ziehen, dann ist die Behauptung, diese 0,003 % zwischen den 40ern und den 60ern zählten zu den bemerkenswertesten Perioden der Menschheitsgeschichte, durchaus gewagt. Erlauben Sie mir daher, das zu begründen.

Vor den 50ern dauerte eine Reise von Europa nach Amerika per Schiff fünf Tage. Gegen Ende der 40er nahmen zwar Transatlanktikflüge langsam Gestalt an, aber erst in den 50ern konnte auch der normale Mensch den Ozean fliegend überqueren. Und nicht nur die Lüfte wurden erobert – auch im Weltall hinterließen die Menschen erste Spuren, als 1957 mit dem Start von Sputnik 1 der erste Satellit in einen Erdorbit gebracht wurde. Auf dem Meer wurden ebenfalls Grenzen verschoben, als Émile Gagnans tragbarer „Aqua-Lung“-Atemregler im Gerätetauchen zu einem Hit wurde, sowohl kommerziell als auch im Hobbybereich. Die Grenzbereiche menschlicher Ausdauer und Leistungsfähigkeit wurden immer weiter vorangetrieben.

Auch die Uhrenhersteller lieferten sich einen erbitterten Wettstreit um die Vorherrschaft im Meer, in der Luft und im All, und auch wenn Blancpain den frühesten Prototyp für das schuf, was wir heute als moderne Taucheruhr bezeichnen – komplett mit transparentem, leuchtstarkem Ziffernblatt und drehbarer Zeitmesslünette – machte erst Rolex mit der Submariner dieses Design einer breiten Masse zugänglich. Im Nachhinein stellte sich dies als eine kluge Geschäftsidee heraus, aber zur damaligen Zeit war es noch eine riskante Wette, auf den Erfolg des Sporttauchens zu setzen.

Als sich diese Wette dann aber auszuzahlen begann, folgten die anderen Marken in Scharen. Für Breitling kam der Einstieg in diesen Markt 1957, keine unwesentlichen vier Jahre später, mit der Inspiration für dieses Modell, der Superocean. Was hatte Breitling also zwischenzeitlich besser gemacht als Rolex? Na ja, eigentlich gar nichts. Die Superocean war bis 200 m wasserdicht und lag damit gleichauf mit der Submariner. Sie hatte Leuchtzeiger und -markierungen, so wie die Submariner auch. Sie hatte eine Drehlünette, genau wie die Submariner eine hatte.

Das zentrale Verkaufsargument für die Superocean war, eben keine Submariner zu sein. Das Design war dann auch mit der hervorstehenden Lünette, dem tief gefassten Glas und dem ungewöhnlichen Ziffernblatt ausgesprochen anders. Der Lünetteneinsatz war bis auf das absolute Minimum zusammengestrichen worden. In Kombination wirkte das Gesamtprodukt wie eine Mischung irgendwo zwischen Cadillac und UFO – zwei anderen prominenten Highlights der 50er! Eigentlich gab es also gar nicht so viel neues über diese Uhr zu erzählen, weshalb sie dann auch schnell vom Nachfolger verdrängt wurde, während die Submariner sich treu blieb. Jetzt ist sie allerdings wieder zurück, und zwar aus demselben Grund, aus dem sie einst entwickelt wurde – um anders zu sein als die Submariner.

Die moderne Neuauflage

Alle, die jemals darüber gelästert haben, dass alle Taucheruhren gleich aussähen, dass alles außer der Submariner nur ein billiger Abklatsch sei, sollten jetzt gut aufpassen. Breitling setzte 1957 alles daran, etwas zu entwerfen, das ganz eindeutig keine Submariner war, und das ist bis heute so geblieben.

Diese Superocean Heritage ’57 ist schon ein starkes Stück, und eine ganz andere Erfahrung als das Beste von Rolex. Wenn die Submariner mit der Vorgabe entwickelt wurde, das zweckmäßigste und erschwinglichste Tauchinstrument zu konstruieren, dann lautete die Devise bei Breitling etwa so: Was auch immer die Submariner macht, wir machen das Gegenteil.

Die Grundelemente, wie Zeiger, Markierungen und Drehlünette, behielt sie natürlich bei – ansonsten wäre sie ja auch keine Taucheruhr mehr gewesen. Doch die Art, wie diese Funktionen ausgeführt wurden, war so weit von einer üblichen Taucheruhr entfernt, wie es überhaupt nur ging. Die Viertelstundenmarkierungen – bei einer Rolex zum Beispiel die berühmten Rechtecke und das Dreieck auf 12 Uhr – waren hier mit verchromten Rechtecken überzogene Kreise, die die leuchtenden Stundenmarkierungen spiegelten. Sie hätten auch einfache Kreise sein können, aber das wäre der Submariner wohl zu ähnlich gewesen.

Und dann die Zeiger – ein breiter Leuchtfarbenstreifen hob den Stundenzeiger hervor, der um der Stabilität willen in mehrere Einzelteile gegliedert wurde. Der mittlerweile berühmte Mercedes-Zeiger der Rolex wurde durch eine komplett neue und anders geteilte Form ersetzt. Auch die Lünette kam nun ohne die praktischen Elemente der Submariner aus, einfach um sie deutlich davon zu differenzieren. Das Gleiche also, aber anders, und zwar mit voller Absicht.

Am deutlichsten unterscheidet sich die Ausstrahlung dieser Uhr, wenn man sie in allen drei Dimensionen betrachtet. Mit der Rolex Submariner hat man ein sehr blockhaftes Design vor sich, bei dem sich das abgeflachte Glas allmählich zur Lünette hin verjüngt und tellerhaft in das Gehäuse schmiegt – eine Ausführung, die aus Gründen der Bedienbarkeit und des Preises klug gewählt wurde. Die Superocean besitzt dagegen eine an eine Hutkrempe erinnernde Lünette und ein Ziffernblatt, so tief wie eine Suppenschüssel. Sie ist mehr Skulpur als Konstruktion.

Auch wenn man mit dem bloßen Auge keine großen Unterschiede zwischen Original und Neuauflage ausmachen kann, so hat Breitling für die Modernisierung doch einiges aufgeboten. Die Lünette ist nicht mehr Aluminium, sondern Keramik, das Glas nicht mehr Kunststoff, sondern Saphir, und das Gehäuse misst keine 39 mm mehr, sondern 42. Was sie allerdings beibehält, ist das Hauptmerkmal aus dem Jahr 1957: Sie ist immer noch keine Submariner.

Ist sie das Richtige?

Was sind denn nun die Faktoren, die diese Uhr für Sie passend machen? Dass sie keine Submariner ist, können wir jetzt abhaken. Aber bei der Wahl einer Uhr geht es ja nicht nur darum, und es gibt zweifellos auch noch mehr Taucheruhren als nur diese, die keine Submariner sind. Sie möchten also keine Rolex – aber warum dann stattdessen genau diese?

Vielleicht zuerst ein paar Gründe, die dagegen sprechen könnten: Die 200 m Wasserdichte, mit denen die Erwartungen ohnehin eher nur erfüllt als übertroffen wurden, hat sich jetzt auf 100 m halbiert. Warum? Da müsste man bitte bei Breitling nachfragen und mir Bescheid sagen, denn ich habe selbst nicht die geringste Ahnung. Auch das moderne B20-Kaliber lässt sich nirgendwo erkennen, stattdessen begnügt man sich mit dem B10, basierend auf dem ETA 2892. Außerdem kostet sie mit diesem Mesh-Armband 3.750 £, mit Lederriemen noch 3.400 £.

Die Rolex spielt da preislich noch in einer ganz anderen Liga, aber bei Rolex' Schwestermarke Tudor sieht es schon anders aus. Tudors Black Bay hat die vollen 200 m Wasserdichte, ein hauseigenes Uhrwerk – von dem sie lustigerweise eine Variante mit Breitlings B20 teilt – und sie kostet 750 £ weniger. Dafür sieht sie einer Rolex Submariner aber auch äußerst ähnlich – im Grunde genommen ist sie ja auch eine.

Man könnte also sagen, dass die Dinge nicht gerade für die Breitling sprechen. Was die Ausstattung betrifft, könnte man es zum halben Preis mit ihr aufnehmen oder sogar übertreffen. Die Breitling punktet dann auch mit zwei Sachen: Erstens handelt es sich schlicht und ergreifend um eine Breitling, und ein solcher Schrifzug auf dem Ziffernblatt ist dann doch schon besonders, und zweitens kann einfach nichts mit einem ähnlichen Erscheinungsbild aufwarten.

Als jemand, der großen Wert auf, nun ja, den Wert legt, sage ich es nur ungern, aber Breitlings extreme Herangehensweise mit dem Ziel einer für sich stehenden Superocean – für so borniert man das auch halten mag – hat bei mir einen Nerv getroffen. Man hat 1957 fraglos einen heimlichen Volltreffer gelandet, wie es die Nachfolger der Superocean letztendlich beweisen sollten.

Aber dieses Modell hier, das Original – es bleibt auf seltsame Weise faszinierend. Was bei dem überquellenden Ziffernblatt und dem unnötig modellierten Gehäuse eigentlich nicht funktionieren sollte, hat etwas so Einzigartiges und Unverbrauchtes an sich, dass der pure Anblick schon fast befreiend wirkt. Vielleicht geht es ja auch wirklich darum – und nur darum – worum es schon 1957 ging: Die Erleichterung, wenn man zur Abwechslung mal etwas anderes sieht.

Breitling blickt auf eine lange Geschichte voller Versuche und Irrtümer zurück, mit ebenso vielen Reinfällen wie Treffern, und obwohl die Superocean bei ihrer holprigen Erstvorstellung und dem Versuch, die Submariner mit einer ähnlichen Idee, aber in ein anderes Licht gerückt, zu überstrahlen, ein kleiner Flop war, scheint sich dieser krampfhafte Drang, es anders zu machen, heute auszuzahlen. Dabei ist die Superocean Heritage ’57 keine perfekte Wahl, keine preiswerte Wahl und schon gar keine praktische Wahl, aber sie bietet etwas, von dem ich mir vorstellen kann, dass viele potenzielle Kunden mit Geld in der Tasche es schon lange erwarten: Eine neue, frische Wahl, die einfach anders ist. Vielleicht ist das am Ende ja auch tatsächlich das ganze Geheimnis.

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